Die Umwelt als Ablenkung
Wir konkurrieren auf unseren Spaziergängen immer mit der aktuellen Umwelt. Das bedeutet, dein Hund hat nicht nur Freude an Interaktion mit dir, sondern eben auch an Schnüffeln, Buddeln, Wälzen,… – kurz, einfach Hund zu sein. Hier gilt es für dich, einen für euch passenden Weg zu finden. Dein Hund sollte auf seinen Spaziergängen ein möglichst hohes Maß an Bedürfnisbefriedigung erfahren dürfen – ohne dabei natürlich Dritte negativ zu beeinträchtigen.
Die Gestaltung eures Spaziergangs hängt natürlich immer stark von deiner Tagesform, die deines Hundes und der Umgebung ab. Bist du bereits vor dem Spaziergang sehr gestresst, macht es vielleicht mehr Sinn, eine für euch möglichst entspannte Gassistrecke zu wählen. Hast du gute Nerven, dann kannst du dich eben auch mit deinem Hund euren Herausforderungen stellen und ihm eine gute Stütze sein, damit er wachsen darf und lernt verschiedenste Situationen gelassener zu meistern. Aber beachte bitte auch immer die Tagesform deines Hundes. Wenn ihm anstrengende Ereignisse in den Knochen stecken, darf auch er gerne einen ruhigen Spaziergang in gelassener Umgebung genießen.
Der Spaziergang als gemeinsame Zeit
Der Spaziergang ist „Qualitytime“ für dich und deinen Hund! Genießt die gemeinsame Zeit. Zeige dich möglichst aufgeschlossen gegenüber den Interessen deines Hundes. Je mehr ihr gemeinsam unterwegs seid, desto weniger wirst du deinen Hund rufen müssen. Vermeide Telefonate oder große Ablenkungen und sei bitte immer mit mindestens einem Auge bei deinem Hund! Wenn du deinem Hund wenig bis keine Aufmerksamkeit schenkst, wird er es in der Regel umgekehrt auch nicht tun. Dass sich Vieles natürlich mit der Zeit einspielt, leichter und selbstverständlicher wird – keine Frage.
Aber vom Prinzip denk bitte immer daran, dass dein Hund locker bis zum dritten Lebensjahr durch hormonellen Stress etc. nicht die nötige Gelassenheit für absolute Zuverlässigkeit besitzt. Auch Tage mit viel Stress oder Krankheit können deinen Hund negativ in seiner Konzentration beeinträchtigen, genauso wie später das Alter sich auf deinen Hund auswirken wird. Hier gilt es achtsam mit deinem Hund zu sein und ihn richtig einzuschätzen und notfalls rechtzeitig Managementmaßnahmen, wie zum Beispiel eine (Schlepp-)Leine zu ergreifen, um die Situation für euch zu entspannen.
Das Signal & seine Generalisierung
Durch eine entsprechende Basis, sorgen wir für viele Gemeinsamkeiten und Interessen zwischen dir und deinem Hund. Das erhöht natürlich automatisch die Ansprechbarkeit.
Nun kommen wir zu den Signalen. Bis ein Signal wirklich aufgebaut ist, braucht es hunderte von fehlerfreien Wiederholungen. Wahrscheinlich hast du jetzt schon eine Idee, warum es bei dir manchmal hapert.
Während du dein Signal aufbaust, würde ich deinen Hund aber noch viel an einem gut sitzendem Brustgeschirr und Schleppleine laufen lassen (je nach Persönlichkeit, Tagesform und Umgebung), um ihm nach Möglichkeit wenig Übungsfläche für unerwünschtes Verhalten zu bieten.
Beim Training eines zuverlässigen Rückrufs ist es wichtig, dass dein Hund dieses Signal generalisiert.
Was bedeutet das? Hunde sind Meister der Verknüpfungen. Wenn du also den Abruf ein Mal in der Woche auf dem Hundeplatz mit Leberwurst belohnst (ich überziehe hier natürlich zur Verdeutlichung), lernt dein Hund, dass er nach deinem Signal auf dem Hundeplatz zu dir kommen soll und Leberwurst bekommt. Deine Aufgabe ist es nun, dass dein Hund lernen darf, dass dein Signal in allen Lebenslagen und unter verschiedenen Ablenkungen gilt. Auf die Belohnungen gehen wir später noch mal genauer ein.
Möglichkeiten
Ich gehe hier auf die verschiedenen Rückrufmöglichkeiten ein, die ich im Alltag mit meinen Kund*innen nutze. Allerdings kann ich keine exakten Trainingsanleitungen geben. Denn wie immer ist hier richtiges Timing extrem wichtig. Also nimm den Leitfaden gerne mit zur Hand, aber hol dir im Notfall bitte professionelle Hilfe.
Der einfache Rückruf
In der Regel für viele Hund-Halter-Gespanne völlig ausreichend. Meist ein klassisches „Hier“ oder „Zu mir“. Du startest hier im Training erst einmal immer mit der klassischen Konditionierung. Also das Wort wird mit tollen Belohnungen verknüpft. Danach wird die Distanz vergrößert und dann nach und nach der Ablenkungsgrad erhöht. Hier ist es wichtig, dass du die Ablenkungen so kleinschrittig aufbaust, dass dein Hund nach Möglichkeit keine „Fehler“ macht. Immer wenn du im Training korrigierst, hast du keine ordentliche Verknüpfung zwischen Signal und erwünschtem Verhalten!
Der doppelte Rückruf
Sehr gut für Hunde geeignet, die schnell in die Umwelt abtauchen und schlecht ansprechbar sind. Beim doppelten Rückruf werden zwei Signale (Umorientierungs- und Ankersignal) getrennt voneinander aufgebaut und nur im Einsatz zusammen genutzt. Mit dem klassisch konditionierten Umorientierungssignal setzt du dich in den Kopf deines Hundes und das Ankersignal wird so lange eingesetzt, bis dein Hund bei dir ist.
Die Hundepfeife
Ich empfehle die Hundepfeife besonders bei Hunden, die schnell weite Strecke laufen können. Denn wer möchte sich schon die Seele aus dem Leib brüllen?! Aber ich mag die Pfeife auch gerne für Menschen, die sich schwer tun freundlich zu rufen, da hier ein neutraler Ton positiv verknüpft wird. Eine Hundepfeife eignet sich auch gut in windigen Monaten, um deine Stimme zu schonen.
Belohnungen
Die oberste Prämisse bei Belohnungen ist, der Empfänger (dein Hund) entscheidet, ob die Belohnungen belohnend ist, nicht der Sender (du). Also wieder: Kenne deinen Hund und schätze die Situation richtig ein!
Möglichkeiten der Belohnung:
Ernstgemeinte Wertschätzung/stimmliches Lob
sollte in meinen Augen immer mit dabei sein. Es sollte für deinen Hund immer toll sein in deiner Nähe zu sein/bleiben/kommen!
Futter
Hier kann sowohl Qualität als auch Quantität eine Rolle spielen. Aber eben auch wie das Futter verabreicht wird. Darf dein Hund es belauern, jagen, schlecken, suchen, auspacken, …?
Spiel & Spaß
kann in Form von Spielzeug stattfinden, das eben auch gesucht, gejagt, gezergelt etc. werden kann, aber natürlich auch in Form von Interaktion mit dir also ein Lauf- oder Fangspiel.
Hierbei ist es wichtig nicht körperlich übergriffig gegenüber deinem Hund zu sein und ihn nach aufregenden Spielen auch wieder aktiv zu entspannen.
Körperkontakt
Ich habe absichtlich nicht „Streicheln“ geschrieben, weil viele Hunde nach dem Abruf nicht gerne gestreichelt werden – besonders nicht über den Kopf gewuschelt!
Aber wenn du deinen Hund aus einer für ihn aufregenden Situation abrufst, kannst du zum Beispiel in die Hocke gehen, ihm Schutz anbieten und ihn durch Berührungen an der Brust und Schulter beruhigen. Das kann eine tolle Belohnung sein. Aber bitte dränge deinem Hund niemals Berührungen auf!
Umweltbelohnungen
Hier kannst du deinen Hund in einem sandigen Untergrund buddeln lassen oder du lässt ihn nach einem Abruf aus dem Spiel mit anderen Hunden wieder zurück zum Spielen laufen, ihn in einen See springen lassen oder was auch immer deine aktuelle Umwelt an Bedürfnisbefriedigung für deinen Hund bereit hält.
Körpersprache und Stimme
Du solltest deinen Hund stets freundlich und motivierend rufen. Gerade wenn es mal nicht so klappt! Konzentriere dich nicht auf das, was dein Hund nicht tun soll, sondern darauf, dass es für ihn sinnvoll ist zu dir zu kommen! Nimm die Challenge gegen die Umwelt an und gewinne sie! Aber wie auch oben bereits erwähnt, unterbrich deinen Hund bitte nur so selten wie möglich in seiner Umwelterkundung, denn Verhaltensunterbrecher wirken sich immer stressend auf deinen Hund aus. Schnüffeln und Beobachten sind sein Zeitung lesen, Facebook und Instagram.
Achte immer auf eine freundliche Körpersprache (in die Hocke gehen, deinen Hund anstrahlen und anfeuern). Bitte kein Groß-Machen und Über-deinen-Hund beugen oder gar Stampfen und Leine werfen, das wirkt bedrohlich und ist damit absolut kontraproduktiv, dass dein Hund sich dir flott und freudig nähert.
Was machst du, wenn dein Hund nicht kommt?
Dann gehst du ruhig und entspannt zu deinem Hund sprichst ihn freundlich an. Entweder reicht schon die Distanzverringerung, dass dein Hund reagieren kann und sowieso kommt. Andernfalls kündigst du ihm das Anfassen an und sicherst ihn. Sobald dein Hund gesichert ist, solltest du eine aktive Entspannungsübung machen und reflektieren, was dazu geführt hat, dass dein Hund in dieser Situation nicht reagieren konnte. Und dann solltest du deinen Trainingsplan anpassen und dir gegebenenfalls dabei Hilfe holen.
Bedenke immer, dein Hund tut nichts, um dich zu ärgern. Bleib wohlwollend, reflektiere Situationen und wachse mit deinem Hund als Team an euren alltäglichen Herausforderungen.
Kristina